Geschichte der Oselschen Ritterschaft
Die abendländische Geschichte Oesels beginnt in den Jahren 1205 bis 1277 mit der Eroberung der Insel durch deutsche Ritter.
Die Oeselsche Ritterschaft ist eine der lebendigen Großfamilien der Baltischen Ritterschaften. Sie wird ihren Traditionen treu und den Baltischen Ritterschaften verbunden bleiben, solange der "Glows der Ritterschop in der Wick vnd vp Osel" Gültigkeit hat:
Das Wort Gottes Bleibet Ewiglich
Bald nach der Eroberung Oesels im 13. Jahrhundert wurde der größte Teil der Insel zusammen mit der Wieck bischöfliches Stift, während die Insel Moon und der östliche Teil Oesels dem Deutschen Orden zufiel.
Die Geschichte der Oeselschen Ritterschaft beginnt mit der Konvention von Seeland (1238), in der die Ritterschaft das Recht erhielt, mit ihren Räten gemeinschaftlich mit dem bischöflichen Kapitel die Regierung zu führen.
Durch die Jahrhunderte hindurch erlebte die Insel und die Ritterschaft verschiedene Fremdherrschaften (Dänisch von 1560 bis 1645, Schwedisch von 1645 bis 1713 und Russisch von 1713 bis 1919).
1741/42 wurden erstmalig die Matrikel der zur Oeselschen Ritterschaft gehörenden Geschlechter aufgestellt. Die Oeselsche Ritterschaft nahm bis in die Neuzeit deutsche oder deutsch gewordene Familien, die auf der Insel besitzlich und zu Ehren und Ansehen gelangt waren, in ihre Matrikel auf. Heute ist eine Aufnahme in die Matrikel nicht mehr möglich, sie sind geschlossen. Deshalb sind Angehörige der Oeselschen Ritterschaft nur die, die in ehelicher Geburt im Mannesstamme von einem Angehörigen eines immatrikulierten Geschlechts oder Familie abstammen oder es durch Heirat eines Ritterschaftsangehörigen werden.
Die Oeselsche Ritterschaft hat seit ihrer Auflösung als Körperschaft öffentlichen Rechts nach Ausruf der Estnischen Republik im Jahre 1919, der darauf folgenden Güterenteignung, Abschaffung des Adels und damit Wegfall der Privilegien ein wechselvolles und zu Zeiten ungewisses Schicksal durchgemacht.
Nach Ihrer Auflösung haben sich die auf Oesel verbliebenen Angehörigen 1920 im "Oeselschen Gemeinnützigen Verband" zusammengeschlossen, um "… die Interessen der Gesamtheit der Mitglieder, sowie auch der einzelnen Mitglieder und deren Familienglieder zu fördern…" wie es in dem Statut dieses Verbandes festgehalten ist.
Mit der Umsiedlung im Oktober 1939 aus Oesel fand der "Oeselsche Gemeinnützige Verband" ein schnelles Ende. Wie das Schicksal der Familien und der Einzelnen damals im Ungewissen gelegen hat so hat auch über ein Weiterleben oder Neubeleben des Zusammenschlusses der ritterschaftlichen Familien an anderem Ort Ungewissheit bestanden.
Nach anfänglicher Niederlassung, mehrheitlich im damaligen Warthegau, gingen Initiativen von Angehörigen aller vier baltischen Ritterschaften aus, sich in einer einzigen Organisation zusammenzuschließen. Dies führte im August 1941 in Posen zur Gründung des "Verbands für Sippenkunde und Sippenpflege der Angehörigen der ehemaligen Baltischen Ritterschaften". In diesem Verein bildeten die einzelnen Ritterschaften Untergliederungen, deren Vorsitzende den "Engeren Rat", das oberste Führungsgremium des Gesamtvereins, bildeten.
Als Aufgabe war dem Verband gestellt, die Geschlechtsregister der ehemaligen Ritterschaften weiterzuführen und in der Herausgabe des Genealogischen Handbuches der Baltischen Ritterschaften fortzufahren und, soweit dessen einzelne Teile bereits abgeschlossen waren, Fortsetzungen zu veröffentlichen. Mit dem neuen Verband sind die einzelnen Ritterschaften nicht als rechtlich und organisatorisch eigenständige Organisationen wiedererstanden. Ihr Fortbestand wurde jedoch als Untergliederung im Verband und im Bewusstsein der Angehörigen ideell verankert.
Die Flucht aus den östlichen Gebieten des damaligen deutschen Reiches und die völlige Auflösung politischer und administrativer Strukturen am Ende des 2. Weltkrieges sowie der Überlebenskampf der Einzelnen und der Familien brachten die Aktivitäten des Verbandes Anfang 1945 zum völligen Erliegen.
Erst mit der allmählichen Wiederbelebung des öffentlichen Lebens und erster Gewissheit über das eigene Weiterleben erwachte das Interesse an einem erneuten Zusammenschluss der Angehörigen der ehemaligen Ritterschaften in Westdeutschland. Im Februar 1949 wurde der "Verband für Sippenkunde der Angehörigen der ehemaligen Baltischen Ritterschaften" in Hannover gegründet.
Dieser Verband besteht unter dem zwischenzeitlich geänderten Namen "Verband der Baltischen Ritterschaften" weiter. In ihm ist der Fortbestand der einzelnen Ritterschaften wieder als Untergliederungen sichergestellt. Jede der vier Ritterschaften wählt unter ihren Angehörigen einen Vorsitzenden und den Beirat. Der Vorsitzende ist Mitglied im Präsidium, dem obersten leitenden Gremium des Verbandes.
Die Beiräte gehören dem Rat bzw. dem Verbandstag des Gesamtverbandes an. Damit sind die gewählten Vertreter der Oeselschen Ritterschaft ebenso wie die der Schwesterritterschaften in die Gremien des Verbandes eingegliedert, wo sie ihre Aufgaben im Sinne der Angehörigen der eigenen Ritterschaft sowie der Gesamtheit wahrnehmen.
In dem Zusammenschluss verstehen sich die Ritterschaften als weiterbestehende lebendige Gemeinschaften, die vom Verband nach außen vertreten werden.
Die Oeselsche Ritterschaft und ihre Angehörigen haben mit großer Anteilnahme und Sympathie den Prozess der Wiedererlangung der Selbständigkeit der baltischen Staaten verfolgt. Für die Oeselsche Ritterschaft haben sich durch die Wiedererlangung der Selbständigkeit Estlands ganz neue Aspekte in ihrem Selbstverständnis und ihren Aufgaben ergeben.
Die Ritterschaft und ihre Angehörigen sind zu Einzelpersonen, Organisationen und der Verwaltung Oesels in Verbindung getreten. Im Bewusstsein der jahrhundertlangen Geschichte der Ritterschaft und ihrer selbstübernommenen Verantwortung für die Bevölkerung und das Land haben die Ritterschaft und einzelne Angehörige Hilfsleistungen für Oesel organisiert und durchgeführt, besonders dort, wo persönliche Not herrschte, die vorhandene medizinische Versorgung unzureichend war, Fortbildung und Geschichtsforschung neuer Impulse bedurfte und wo von der Ritterschaft und den einzelnen Familien geschaffene kulturelle Werte erhalten werden.
Die Oeselsche Ritterschaft begrüßt es sehr, dass von ihr und ihren Angehörigen geschaffene und hinterlassene Werte zu bewahrenswertem Erbe des Landes erklärt worden sind und soweit möglich erhalten werden und dass die Geschichte der Ritterschaft und ihrer Familien erkannt und wieder Teil der gemeinsamen Geschichte geworden ist.
Alles heutige Handeln sei den Vorfahren der jetzigen Generationen der Oeselschen Ritterschaft gewidmet, die mit Pflichtgefühl und Verantwortungsbewusstsein der Gemeinschaft gedient und sich über nunmehr fast acht Jahrhunderte für den Fortbestand der Ritterschaft eingesetzt haben. Hieraus erwächst die Verpflichtung für die gegenwärtigen und die kommenden Generationen ebenso zu handeln und sich unter den Wahlspruch zu stellen den sich die Vorfahren gewählt haben:
Das Wort Gottes Bleibet Ewiglich