Berichte
Grundsteinlegung im Wagnertheater in Riga
Es gab eine eigene Parfüm-Marke im damals sozialistischen Osteuropa, die „Riga‘s Flieder“ hieß, und Riga machte am Himmelfahrt-Wochenende 2023 diesem Ruf alle Ehre: ein betörender Duft lag über der Altstadt und den Parks und Kanälen rund ums Opernhaus, denn an allen möglichen Ecken blühte er, der Rigaer Flieder. Die Verbandsstiftung der Baltischen Ritterschaften war ganz offiziell zur Grundsteinlegung und „Renaissance“ des alten Vietinghoff’schen Theaters geladen, das der junge Richard Wagner für kurze Zeit (1837-39) als Konzertmeister bespielt hatte, bevor er bei Nacht und Nebel, hochverschuldet, die Flucht nach London antrat – und verängstigt durch die stürmische Überfahrt diese Erlebnisse in seiner Oper „Der fliegende Holländer“ niederlegte. Trotz dieses unrühmlichen Abgangs heißt das Theater seitdem Wagnertheater. Und das Vietinghoff’sche Theater diente ihm später als Modell für das Festspielhaus in Bayreuth - daran erkennt man dessen (zumindest rückblickende) Wertschätzung...
Uns empfing die warme lettische Gastfreundschaft und ein ungemein ansprechendes offizielles Programm. Da war zunächst der Besuch im Präsidentenpalast, dem alten Schloss von Riga, mit Führung am Freitag, 19. Mai. Man versammelte sich zum Gruppenfoto zusammen mit den Vertretern der Richard-Wagner-Gesellschaften, die ebenfalls angereist waren, im Empfangssaal. Danach ging es für die Verbandsstiftung per Shuttle direkt ins Herz des alten Kurland, ins Schloss Ruhenthal. Die Führung durch Direktorin Laura Lūse, die dort 2020 das Lebenswerk von Kunsthistoriker Imants Lancmanis übernommen hat und das Schloss kundig weiter durch alle Herausforderungen führt, glich einer wunderbaren Zeitreise. Ruhenthal, das wiederauferstandene Versailles des Baltikum, lässt einen aus dem Staunen nicht mehr herauskommen. Wer sich die Fotografien des baufälligen Zustands vor 40 Jahren und den heutigen Zustand vergegenwärtigt, fragt sich, wie solche Restaurationskunst möglich war. Dabei geht es ja vor allem um Details: Seidentapeten rekonstruieren, Kamine wiederaufbauen oder mit nachgekauften antiken Kacheln „ausbessern“, in den Kronleuchtern fehlende Elemente aus Kristall nachbilden, das Dach und die Treppenhäuser originalgetreu wiederherstellen, kurz: das bedeutet, alte Handwerkstechniken nicht nur wiederzubeleben, sondern oftmals auch wieder zu erlernen. Daraus ist eine über die Grenzen Lettlands hinaus gefragte Schloss-Werkstätte entstanden.
Der Samstag stand für das Wagnertheater zur Verfügung: zusammen mit der Delegation der Richard-Wagner-Gesellschaften, der Deutsch-Baltischen Parlamentariergruppe sowie Vertretung der Ritterschaften wurde uns der Sanierungsbedarf, die architektonischen Umbaumaßnahmen sowie die eingeworbenen Finanzmittel (und die noch klaffenden Lücken) des von Architekt Christoph Haberland errichteten einstigen Prachtbaus erläutert. Initiator des Projekts Wagnertheater, Māris Gailis, war in seinem Optimismus absolut mitreißend und ließ keinen Zweifel daran, dass hier schon in Bälde wieder großartige Konzerte und glänzende Bälle auf dem historischen Parkett stattfinden könnten. (Wir sollten mit den Plänen für einen unserer Verbandstage vor Ort schon mal beginnen!)
Aufmerksame Leser des Nachrichtenblattes werden sich erinnern, dass die Verbandsstiftung sich zumindest mit einem symbolischen Beitrag von 10.000 Euro an der Sanierung des Zuschauerraums beteiligen konnte – dort werden zwei Sitzen später eine Plakette tragen, die auf dieses Engagement der Ritterschaften verweist. Die Führung zeigte, dass es tatsächlich höchste Zeit ist, die Bausubstanz dieses architektonischen Juwels zu retten.
Die Grundsteinlegung am Sonntag, dem 21. Mai war jedoch der Höhepunkt der Reise. Einen Tag vor Wagners 210. Geburtstag wurde symbolisch eine „Zeitkapsel“ in die Außenwand des Theaters eingemauert, um die Grundsteinlegung der Renovierung und den Neubeginn und die Renaissance des Wagnertheaters, zu markieren. Nach Wagner kamen weitere Berühmtheiten: in den 1840er Jahren gastierten dort Franz Liszt, Clara Schumann und Héctor Berlioz.
Die Zeremonie geriet quasi zum kleinen Staatsakt: Der Staatspräsident, S.E. Egils Levits, begleitet von seiner Leibgarde, stand neben dem ehemaligen Ministerpräsidenten und Initiator des Projekts zur Wiederbelebung des Wagnertheaters, Māris Gailis, dem wiederum Linda Ozola, die stellvertretende Vorsitzende des Stadtrats von Riga zur Seite stand. Es folgten Alexander Graf Lambsdorff als Vertreter der Deutsch-Baltischen Parlamentariergruppe des Bundestags (zusammen mit seiner Kollegin Bettina Hagedorn), die Vorsitzende der Verbandsstiftung der Baltischen Ritterschaften, Kerstin v. Lingen, David Bartels als Vertreter der Deutschen Botschaft Riga, und Rainer Fineske, Präsident des Richard-Wagner-Verbandes International.
Alexander Graf Lambsdorff eröffnete die Ansprachen und unterstrich, wie wichtig das Baltikum für die Bundesrepublik heute sei. Kulturprojekte zu fördern, sei dabei ein wichtiger Aspekt. So hat der Deutsche Bundestag für das Rigaer Theater und dessen Sanierung 5 Mio. Euro bewilligt. Damit verbinde sich die Hoffnung auf auch zukünftig enge Beziehungen zwischen Deutschland und Lettland. In ihrem Grusswort verwies auch die Vorsitzende der Verbandsstiftung auf die Geschichte des Theaters und seine Verwobenheit mit dem ritterschaftlichen Engagement im Baltikum, und erinnerte an den Stifter: „Es war ein Angehöriger der Ritterschaft, Otto Hermann Baron von Vietinghoff genannt Scheel, der die Idee hatte, hier an dieser Stelle ein Theater erbauen zu lassen, und der diesen Bau großzügig förderte. Er war ein großer Liebhaber von Gesang, Musik und Theater und fand, dass seine Heimatstadt noch nicht über eine adäquate Bühne verfügte.“
1782 wurde das Theater eröffnet, das er als Stadttheater der Stadt Riga schenkte. Das Theater stand zunächst unter Vietinghoffs künstlerischer Leitung, bevor diese später von der Theatergesellschaft „Muße“ übernommen wurde. 24 Musiker waren dort fest angestellt. Vietinghoff war dafür wie kein anderer prädestiniert. Nach einer Karriere als Offizier in den Diensten des Zaren wurde Otto Hermann 1757 Regierungsrat in Riga, im Range eines russischen Staatssekretärs. Er machte sein Vermögen mit verschiedenen Betrieben, unter anderem Brauereien oder Gerbereien, und war Herr auf Marienburg, heute Aluksne, 200 km nordöstlich von Riga. Sein früheres Stadtpalais am Liven Platz schließt an das Wagnertheater an.
Lingen erinnerte auch an den Skandal, mit welchem Wagner die Stadt verlassen hatte: „Nachdem Wagner heimlich einen Flügel aus dem Theater verkauft hatte, um seine Schulden zu decken, floh er mit seiner Frau Minna, die wiederum inzwischen eine Affäre zu einem reichen Kaufmann Rigas begonnen hatte, vor den Gläubigern nach London.“ Sie schloss mit dem Wunsch der Ritterschaften, die baltischen Staaten auch in Zukunft in ihrer Unabhängigkeit, auch gegenüber dem übermächtigen russischen Nachbarn, zu unterstützen und im Dialog zu bleiben. „Angesichts der aktuellen politischen und militärischen Lage ist es uns wichtig, unsere Solidarität und Unterstützung zu zeigen, und mit diesem Engagement für die Kultur Rigas unserer Hoffnung Ausdruck zu verleihen, dass die zukünftige Welt im Baltikum eine friedliche sein wird.“
Die Zeremonie wurde wunderbar abgerundet durch ein Konzert des Ensembles “Kremerata Baltica” im Wagnersaal, eine wunderschöne Einstimmung auf all die zukünftigen Konzerte, die wir bald und in neuem Glanz des Saales dort hören werden. Buchen Sie schon einmal Ihre nächste Reise nach Riga, und nehmen Sie Konzertkleidung mit!
(Kerstin von Lingen, Alexander Graf Lambsdorff)
Wenn Sie für dieses Projekt spenden möchten (noch ist die Zielsumme leider nicht erreicht), wenden Sie sich bitte an die Wagner Gesellschaft, Herrn Konrad Winkler. Die Spenden-Kontonummer lautet:
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Verwendungszweck: Renaissance des Wagner Theaters Riga